Bernd-Stegemann-Mastermind-der-Sammlungsbewegung-Aufstehen

Der Dramaturg als Politiker
Beim „aufstehen“ sitzt Bernd Stegemann neben Sahra Wagenknecht
von Eberhard Spreng

Die von Sahra Wagenknecht gegründete Sammlungsbewegung „aufstehen“ stellt sich im Raum der „Bundespressekonferenz“ der Medienöffentlichkeit. Auf dem Podium saß neben Sahra Wagenknecht der Dramaturg und Professor Bernd Stegemann, Mastermind der neuen Bewegung.

Bayrischer Rundfunk, Kulturwelt – 05.09.2018 → Beitrag hören

Ungewohnte Umgebung: Bernd Stegemann auf dem Podium der Bundespressekonferenz
Ungewohnte Umgebung: Bernd Stegemann auf dem Podium der Bundespressekonferenz (Foto: Eberhard Spreng)

„Wir machen Deutschland zu einem Parlament“, das sagt der Kommunikationswissenschaftler Hans Albers auf dem Podium der Bundespressekonferenz. Und tatsächlich war auch bei all den anderen Fürsprechern der von Sahra Wagenknecht angeführten Sammlungsbewegung von der Forderung nach Zuhören, Verstehen, Verständigung und Verständnis die Rede. Damit ist in der aufgeheizten innenpolitischen Debatte vor allem eine neue Konfliktkultur gemeint. Mit seinem Essay „Das Gespenst des Populismus“ hatte der praktizierende und an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch lehrende Dramaturg Bernd Stegemann eine Krise des politischen Sprechens diagnostiziert. Jetzt sitzt er als intellektuelle Instanz und als Berater neben Sahra Wagenknecht. „Warum müssen Theaterleute hier mittun? Theaterleute machen Widersprüche anschaubar, damit Menschen sich eine eigene Meinung bilden können. Ein zentrale Widerspruch ist im Moment, dass auf der einen Seite mit Ressentiments gearbeitet wird, und auf der anderen Seite mit einer selbstherrlichen und überschäumenden Moral. Das ist ein Widerspruch, der sich gegenseitig hochschaukelt und aus diesem Grund auch gar nicht zur Lösung von irgendwas beitragen kann. Das wäre ein konkretes Beispiel, woran ich persönliches Interesse hätte, mitzuarbeiten: Um hier andere rationalere Wege zu finden, um über diese Themen wieder öffentlich so verhandeln zu können, dass sie nicht immer nur zu einem gegenseitigen sich Hochputschen und Rechthaben führen und zu Exessen der Gewalt vor allem von Rechts.“

Von der Theaterdebatte in die Politik

Als Dramaturg hatte Bernd Stegemann immer wieder engagiert in diverse Theaterdebatten eingegriffen und findet sich jetzt plötzlich in einem Umfeld von Politikern, wie dem grünen Urgestein Ludger Volmer, der in die Bewegung „aufstehen“ eingetreten ist, weil er sich die aktuellen Verwerfungen der Parteienlandschaft und die Veränderungen seiner Partei, der Grünen, nicht mehr tatenlos anschauen will. „Wir haben einen Mainstream, bestehend aus CDU, Rest-SPD und Grünen und die werden attackiert durch eine gesellschaftliche Rechts-Koalition von AFD und CSU und dagegen steht im Moment die Partei Die Linke mit ihren bekannten internen Konflikte. Das heißt, dass in Zukunft die gesellschaftlichen Kompromisse ausgehandelt würden, zwischen diesem konturlosen Mainstream, für den Frau Merkel steht und einer immer stärker werdenden Rechten. Das wird eine Republik, in der ich nicht leben möchte.“

Deutlicher als der ehemalige Berufspolitiker sieht der Kulturmensch Stegemann die Notwendigkeit, sich analytisch gegen Denk- und Diffamierungsmoden in der gegenwärtigen Debattenkultur zu stellen.

Linker Populismus gegen Rechts und gegen Merkels Mitte

Das Schimpfwort „Populismus“ ist für ihn keine Bezeichnung für die politischen Strategien einer nervigen neuen Rechten, sondern ein Symptom für die Krise einer demokratischen Debatte, die seit Jahren mit dem Argument der Alternativlosigkeit sterilisiert werden soll. Für ihn gibt es auch den liberalen Populismus der Mehrheitsgesellschaft, gegen den sich ein zu erfindender linker Populismus ebenso zu stellen hat, wie gegen den der Rechten. Nur dazu muss die Linke ihre innere Spaltung überwinden. „Darum braucht man ganz dringend ein Erneuerungsprogramm für links. Denn die Linke hat in sich einen Widerspruch auszuhandeln zwischen einer postmodernen, identitätspolitischen Linken und einer eher sozial solidarisch orientierten Linken. Dieser Widerspruch ist auch sehr quälend für die Linken und muss dringend in einen konstruktiven Dialog gebracht werden.“

Themenvampirismus und Gefühlsanästhesie

Natürlich wurden die Teilnehmer auf dem Podium immer wieder auch zu Themen wie der Flüchtlingskrise befragt, die derzeit von AFD und Pegida instrumentalisiert und besetzt werden. Sahra Wagenknecht ist für ihre Kritik an offenen Grenzen angefeindet worden. Stegemann plädiert für das Aufbrechen der Tabus und No-Gos, die die CDU geführten Koalitionen seit Jahren etablieren.

„Ich glaube, dass der Politikstil der CDU-Koalition durch Themenvampirismus und Gefühlsanästhesie geprägt ist. Also durch eine Form von Vereinnahmung, die dann aber anders gemacht werden als man es ursprünglich gedacht hat und gleichzeitig durch eine Art von weiter-so-und-bloss-die-Dinge-nicht-ansprechen, denn das nutzt dann ja immer den Rechten. Das halte ich für völligen Quatsch. Man muss die Dinge ansprechen, man muss nur komplett andere Lösungen finden, als die Rechten vorschlagen.“