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Das Ensemble-Netzwerk tagt in Potsdam
Das Prekariat rockt die Bude
Von Eberhard Spreng

Das Ensemble-Netzwerk will keine neue Gewerkschaft sein, sondern eine Initiative, die mit ihren medienwirksamen Aktionen auf die Not der überforderten und unterbezahlten Bühnenkünstler aufmerksam macht. Auch fordert es fordert Mitbestimmung in den deutschen Schauspielhäusern und eine Abkehr vom autokratischen Intendantenmodell. Jetzt traf sich die 2015 gegründete Initiative zu ihrer zweiten Jahresversammlung.

Deutschlandfunk, Kultur heute 15.05.2017

Lisa Jopt, eine der Hauptrednerinnen des ersten Abends
Lisa Jopt berichtet von ihrer prekären Situation als Schauspielerin in Oldenburg (Foto: Netzwerk-Ensemble)

„Ich ziehe alle drei Jahre um, rock die Bude, bin jederzeit frei disponierbar, und als Dank dafür, dass ich die Leute zum Lachen bringe und zum Weinen bringe, bekomme ich als Entgeld den Lohn einer un- oder angelernten Kraft!“

Lisa Jopt ist Schauspielerin in Oldenburg und steht vor dem Wechsel nach Bochum. Sie ist Gründungsmitglied und Vorsitzende des Ensemble-Netzwerks und gab zu Beginn von dessen zweitem Jahrestreffen einen eindringlichen persönlichen Bericht, der für die existentiellen Nöte vieler Schauspieler steht. Der ehemalige kaufmännische Geschäftsführer am Thalia-Theater, Ludwig von Otting, beklagt Jahrzehnte der Einsparungen an deutschen Schauspielhäusern.

„Irgendwann war ein Zustand erreicht an sehr vielen Theatern, wo jeder Bühnenarbeiter und jede Sekretärin besser bezahlt war, als die meisten Schauspieler. Also: Die, auf denen die Arbeit lastet, sind der Abschaum, das Prekariat des Theaterlebens, und das ist ein Zustand, von dem ich glaube, dass er dringend beendet werden muss.“

Zum einen sind viele Theater von der Politik verpflichtet worden, einen höheren Eigenanteil an der Finanzierung zu leisten, d.h. die Anzahl der Premieren und der Spielstätten zu erhöhen, um zusätzliche Einnahmen zu generieren. Das treibt Schauspieler in vielen Häusern in Burn-Out und Motivationsverlust. Zum anderen sind sie, anders als Kollegen in Technik und Verwaltung, viel leichter kündbar und müssen bei jedem Wechsel ihre Gage neu verhandeln. Und die basiert auf einem Tarifvertrag, der nach von Ottings Ansicht seinen Namen nicht verdient. Jeder Intendant muss bei Bedarf seinem Stadtkämmerer erklären, warum er einer Schauspielerin oder einem Schauspieler mehr als die vorgesehene Einstiegsgage von 1.850 Euro brutto zahlt.

Es geht um Mitbestimmung auch in der Kunst

Das Ensemble-Netzwerk möchte aber neben der „Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger“ keine neue Gewerkschaft sein, sondern ein Forum für eine breite Diskussion auch über die künstlerische Arbeit. Dazu gehören neue Modelle der Mitbestimmung, die der Hamburger Film- und Theaterschauspieler Sebastian Rudolph begründet.

„Hierarchien werden flacher, mehr verantwortliches Handeln, mehr eingeständige Kreativität wird von uns gefordert. Und das heißt aber auch im Gegenzug, dass Machtstrukturen sich verändern müssen. Regisseure, Dramaturgen und Intendanten müssen Macht abgeben.“

Dementsprechend wurden auf der Tagung die Reformmodelle des Theater und Orchestermanagementspezialisten Thomas Schmidt diskutiert, der in seinem Buch „Theater, Krise und Reform“ nicht mehr den allmächtigen Intendanten im Zentrum der Entscheidungsprozesse sieht, sondern das Ensemble, dem weitreichende Entscheidungsrechte zukommen. Dabei will das Ensemble-Netzwerk im Kern die Bedingungen der Arbeit im Dienste der Kunst verbessern.

Die Kulturpolitik ist ahnungslos

Die nur gut 200 Mitglieder begleiteten ihre medienwirksame Kampagne bislang mit ziemlich lustigen, bilderfreudigen Aktionen. Sie seien das Greenpeace des Theaterbetriebs, sagte jemand schmunzelnd während der Potsdamer Tagung. Die Politiker müssen besser informiert werden, worüber sie in Theaterfragen eigentlich entscheiden. Auch der Berliner Grünen Abgeordnete und Sprecher für Kultur- und Kreativwirtschaft Notker Schweikhardt, appelliert an die Kulturarbeiter, ihre Lobbyarbeit zu verbessern.

„Die Politiker haben überhaupt keine Ahnung davon, was ihr macht, wie die Umstände sind, wie die Zusammenhänge sind, wie die Abhängigkeiten sind. Ihr sitzt alle in einem Boot, weil es völlig egal ist, ob Schauspieler oder Intendanten für die Theater kämpfen: Wir machen sie dicht, weil wir gar keine Ahnung haben, was wir da tun.“

Ulrich Khuon  sieht trotzdem viele Chancen für das Theater der Gegenwart. Als Präsident des Bühnenvereins eigentlich Theater-Arbeitgeberchef, unterstützt er das Ensemble-Netzwerk seit seinen Anfängen. Khuon  ist einer der aktivsten Theaterlobbyisten im Raum der Politik.

„Es hat eine sensationelle Chance aufgrund der gesellschaftliche Veränderungen, also ich sag nur AFD, Nationalismen. Die Gesellschaft spürt das sehr stark, dass sie jenseits der Politiker eine gesellschaftliche Reflexions- und Erzählebene braucht, und das merkt die Politik sehr deutlich. Also in allen Gesprächen, die ich führe, spüre ich das.“