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Macrons Medienreformpläne
Radikal Banal
von Eberhard Spreng

Emmanuel Macron will die staatliche Medienlandschaft umkrempeln. Im Fokus steht vor allem das Fernsehen. Aber im Detail lassen die Pläne viele Fragen offen, so dass zu befürchten ist, dass es doch nur um heftige Einsparungen geht.

Deutschlandfunk Kultur – 02.01.2018

Emmanuel Macron
Emmanuel Macron (Foto: Wikicommons)

Mit einem völlig neuen Fernsehformat überraschte Emmanuel Macron Frankreichs Fernsehzuschauer kurz vor Weihnachten: Er führte den Nachrichtenmoderator von France Deux durch den Élysée-Palast und antwortete auf dessen Fragen, im Stehen, im Gehen. In seinem Büro, in einem Sitzungssaal, im Treppenaufgang. Eine Audienz beim obersten Chef getarnt als betont lockeres Interview, bei dem Macron von seinem Alltag erzählt und über das eine oder andere Politikfeld plaudert. Über den Syrienkrieg, der demnächst vorbei sei, über das Verhältnis zu Trumps USA, die Klimakrise u.s.w.. Und als letztes, vor dem Tor nach draußen, auch über die staatlichen Medien in Frankreich: „Die öffentlichen Medienanstalten sind für den Staat der mit Abstand größte Posten im Kulturhaushalt. Geld ist also da. Aber wird das an der richtigen Stelle investiert, und ist vor allem die gemeinsame Organisation die richtige? Ich habe das nicht zu entscheiden. Aber ich will einen Reflexionsprozess anstoßen, der seine Zeit dauern kann und an dem sich die Medienverantwortlichen beteiligen sollen.“

„Das Fernsehen ist die Schande der Republik“

Das sagte der Präsident dem Nachrichtenmoderator Laurent Delahousse vom wichtigsten staatlichen Fernsehprogramm Antenne Deux. Der wird wenige Wochen zuvor, so wie viele seiner Kollegen, zusammengezuckt sein, als Macrons inoffizielles Medienbashing vor Mitgliedern des Kulturausschusses bekannt wurde. Sein Ausspruch „Das Fernsehen ist die Schande der Republik“ wurde kolportiert. Dieser Satz wurde zwar dementiert, aber mehrere Augen- oder besser Ohrenzeugen bestätigten den heftigen Ausfall Macrons gegenüber dem Fernsehen in differenzierter Version. Auch die Veröffentlichung von Inhalten interner, im Kulturministerium kursierender Reformpläne hatten die Medienmacher im Spätherbst aufgeschreckt. Von möglichen Fusionen des staatlichen Radios mit dem Fernsehen war da bereits die Rede, von der Streichung ganzer Programme. Unter Druck steht vor allem Fernsehchefin  Delphine Ernotte. Ihr haben die Mitarbeiter von France Télévision schon das Misstrauen ausgesprochen, als sie willfährig die Streichpläne der Kulturministerin Françoise Nyssen in Form von Stellenabbau ins Werk zu setzen begann. Auch wird dem nun von der Politik erwünschen Brainstorming der betroffenen Intendanten letztlich kaum Zeit eingeräumt. Nyssen hatte sie vor Weihnachten in ihr Ministerium einberufen und will noch bis Ende Januar erste Ergebnisse. „Zu dieser Arbeitgruppe gehören nicht nur France Television, sondern auch France Media Monde, Radio France, TV 5, Arte, das Institut National de l’Audiovisuel. All diese Institutionen beteiligen sich jetzt an der Reflexion über Modelle mit größeren Synergieeffekten, intelligenter Annäherungen. Heute kann nicht mehr jeder einzelne vor sich hin arbeiten, was unweigerlich zur unnötigen Dopplungen führt.“

Es soll vor allem auf EU-Ebene eine verstärkte Zusammenarbeit geben, Radio und Fernsehen sollen zusammenarbeiten, auf regionaler Ebene werden in Zukunft Immobilien geteilt und Equipes zusammengelegt. Im Gegensatz zu den deutschen Anstalten in der ARD sind in Frankreich Hörfunk und Fernsehen getrennte Institutionen. Eine gemeinsame Internetpräsenz soll die staatlichen Medien im Web vertreten. Und auch Macron will das junge Publikum zurückgewinnen: „Die jüngsten Mediennutzer schauen fast kein Fernsehen mehr. Sie bleiben einfach nicht mehr lange vor dem Fernseher oder einzelnen Programmen  sitzen. Die nutzen lieber ihr Smartphone oder ihr Tablett, und schauen sich da Videos an, die überhaupt nicht von den Sendern produziert werden. Sie spielen Videospiele; auch die sind heute für die Jugendlichen Teil ihrer Medienkultur.“

Hinter den Kulissen radikal – vor den Kameras banal

Es ist kurios, aber in den öffentlichen Äußerungen von Präsident und Ministerin findet sich absolut nichts Neues: Was sie fordern, ist schon seit Jahren in gefühlt jeder europäischen Medienanstalt Thema: Die Öffnung fürs Digitale und neue Internetformate, Synergieeffekte, Programme für die Jugend. Aber der Widerspruch zwischen der, nun ja: Banalität der öffentlichen und der Radikalität der inoffiziellen Botschaften und internen Papiere ist beunruhigend. Und beunruhigend ist auch, dass die Vorschläge der Intendantenkommission, die in verschiedenen Kleingruppen die diversen Reformfelder bearbeiten soll, dann Entscheidern im „Cap 2022“ unterbreitet werden sollen, für die Kultur und Medien nur ein Thema unter vielen sind. Das Comité Action Politique 2022 kann man vereinfacht Macrons Agenda 2010 nennen. Es hat die Aufgabe, in allen möglichen Bereichen Einsparungen zu generieren. Dennoch, im Gegensatz zu seinen europäischen Vorgängern Thatcher, Blair, Berlusconi ist Macrons neoliberaler Reformeifer nicht kulturfeindlich; der junge Präsident ist sogar der erste Neoliberale, der sein Projekt mit einer Stärkung der Kultur verbindet. Während das Fernsehen 2018 eine kleine Kürzung von 50 Millionen hinnehmen muss, geht der klassische Kulturhaushalt gestärkt ins neue Jahr. Allerdings ist hier ganz eindeutig eine Kultur gemeint, die als Partner des Bildungsministeriums und als Verlängerung der Sozialarbeit zu verstehen ist. Es geht darum, die abgehängten Schichten der Bevölkerung und die ländlichen Regionen mit Kunst und Medien in die Geschichte der Republik zurück zu holen.