Claus Peymann – Prinz Friedrich von Homburg

Claus Peymanns letzte Inszenierung am Berliner Ensemble
No lovers left alive
Von Eberhard Spreng

Claus Peymann inszeniert zum Abschluss seiner Intendanz am Berliner Ensemble Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“. Das Ergebnis ist zwiespältig, endet aber mit einem bewegenden Abschied.

Deutschlandfunk – Kultur Heute, 11.02.2017

Anatol Käbisch, Carmen-Maja Antoni, Boris Jacoby, Sabin Tambrea, Luca Schaub, Matthias Mosbach. (Foto: Monika Rittershaus)

Den Plot gibt’s tausendfach: Mutiger Soldat stürzt sich mit seiner Einheit in die Schlacht und gewinnt dank heldenhaften Mutes. Dann aber machen ihm die Sesselfurzer aus der Militärverwaltung und die Armeechefs das Leben schwer und stellen ihn vor ein Militärgericht, weil er die vereinbarte Schlachtordnung nicht respektiert hat. Klar, wem die Herzen der Kinozuschauer zufliegen, dem Helden natürlich.

Bei Kleist und seinem Prinzen von Homburg ist der Fall etwas komplizierter. Denn der Chef ist hier ein preußischer Kurfürst, dem man wirklich abnimmt, in seinen langfristigen strategischen Überlegungen im Krieg gegen die Schweden ein ernsthaftes Problem zu haben mit dem Herzchen von Prinz, der immer von der Liebe oder der großen Heldentat träumt, wenn er einfach nur mal zuhören müsste.

„Als bis, gedrängt von Hennings und von Truchß – Wer? Lieber Golz! Was? Ich? Sie ja, wer sonst? Vom Platz nicht soll ich -?

Den Prinzen Friedrich von Homburg spielt Sabin Tambrea, bei dem man über lange Strecken der Aufführung den Eindruck hat, dass er nicht eine Figur verkörpert, die irgendwie neben sich steht, sondern dass er selbst als Schauspieler neben sich steht, neben der Aufführung, neben dem Text. Vor der Pause holpert Peymanns wohl letzte Inszenierung am Berliner Ensemble vor sich hin, ein wenig fahrig, ungenau, mit falschem Händeringen, schiefen Gefühlen.

Preußen – ein Kreidestrich

Bühnen- und Kostümbildner Achim Freyer steckt die Soldaten mit ihren fahl geschminkten Gesichtern in schwarze Overalls, mit weiß getünchten Epauletten und Gürteln, hinter der ansteigenden schwarzen Bühne ahnt man in den leichten Wellen und Kanten eines Kreidestrichs den Horizont einer flachen Landschaft mit Häusern und Kirchtürmen. Diese Preußenwelt ist Kreideskizze auf schwarzem Grund.

Erst im zweiten Teil kommt der Theaterabend dem Stück näher. Sabin Tambrea erkennt, nach langer Täuschung, die reale Bedrohung durch das Todesurteil des Herrschers.

„Mag er mich meiner Ämter doch entsetzen,
Mich aus dem Heer entfernen: Gott des Himmels!
Seit ich mein Grab sah, will ich nichts, als leben,
und frage nicht mehr, ob es rühmlich sei!“

Ganz am Ende hat der Held die Selbsttäuschung überwunden und willigt in das Urteil ein. Gleichzeitig sind Bittschriften des Heeres verfasst und die Mitschuld des Kurfürsten benannt, sein amüsiertes Spiel mit dem zum Schlafwandel neigenden Prinzen vor der entscheidenden Schlacht. Roman Kaminski spielt den Kurfürsten als robusten aber nicht fühllosen Menschen. Einer Begnadigung und dem Happy End steht nichts mehr im Wege, aber Peymann interveniert mit zwei einander widerstrebenden Eingriffen: Zum einen lässt er Cat Stevens Song „If you wanna sing out, sing out“ abspielen und entlässt sich selbst und Preußen mit Flower-Power in den Ruhestand: Sei wer Du willst, alles ist möglich! Andererseits sinkt der Prinz auf den quer durch den Saal gespannten Seilen in die Agonie, Blut rinnt ihm aus dem Mund, genau wie der Geliebten Nathalie, während die anderen wie Geisterwesen neuen Schlachten entgegen wabern. Das Leben, ein Traum nur, aber ein tödlicher für Liebende: „No Lovers left alive“.

Der Intendant kniet nieder

Dann der emotionale Höhepunkt: Applaus, Peymann wirft sich theatralisch vor den Schauspielern auf die Knie, steht auf, dankt händeringend, mit dem Blick hoch hinauf, den Theatergöttern und wischt sich die Tränen aus den Augen. Eine Epoche ist zu Ende, die der großen Theaterautokraten, deren letzter Vertreter Claus Peymann war.

Manche seiner Inszenierungen am Berliner Ensemble wirkten in ihrer hölzernen Pädagogik fast wie Karikaturen früherer Großtaten, die er als Intendant und Regisseur in Wien, Bochum oder Stuttgart vollbracht hatte. Seinem Theater der Illustrationen fehlte notorisch: Poesie, Rätsel, Abenteuer. Aber auch Schauspielerpersönlichkeiten, die seine Wiener Amtszeit prägten, standen ihm nicht mehr in Fülle zu Gebote. Seine Vorstellung beim Einzug ins BE, ein „Stachel im Arsch der Mächtigen zu sein“, hat er nicht eingelöst. Über den altlinken Anspruch legte sich schnell eine Staubschicht, das Publikum alterte zusehends, wenn es nicht die Touristen waren, die das Haus füllten. Die Trends und Denkmoden der neuen Hauptstadt wurden andernorts lanciert. Und so sind es eher die Arbeiten des häufigen BE-Gastregisseurs Bob Wilson, die in Erinnerung bleiben. Bei aller künstlerischen Ambivalenz seiner Amtzeit wird der Querkopf Peymann der Stadt allerdings politisch fehlen; nicht dass seine Ideen so überraschend wären, nein einfach die Haltung, der Anspruch, dass man auch als öffentlich subventionierter Intendant mal das Maul aufreißen darf.